Ich fahre ja wirklich gerne Fahrrad - böse Zungen meinen, es
sei mir quasi aus meiner Heimat Ostfriesland in die Wiege gelegt. Tatsächlich war das Fahrrad so lange ich denken kann mein liebstes Fortbewegungsmittel – bis ich
Kinder bekam. War ich früher schon genervt, wenn wir alle paar Kilometer
anhalten mussten, um auf die Karte zu schauen, wäre ich jetzt froh, wenn wir mal
so weit kämen, ohne wegen irgendetwas anzuhalten – aber der Weg ist ja
bekanntlich das Ziel, nicht wahr 😉? Deshalb mache ich gerne bei der Blogparade Radtourenund Radreisen mit Kindern – von Radträumen, Traumreisen und Wirklichkeiten der Reise-Kids mit und erzähle von unserer ersten Fahrradtour mit Baby und
Kleinkind, die nicht ganz so verlief, wie wir uns das vorgestellt hatten...
Die Vorgeschichte: Fahrradfahren bevor und nachdem wir Kinder bekamen
Bereits mit nur einem Kind war das Fahrradfahren für mich quasi der Inbegriff von Freiheit: Wie froh war ich, als meine Tochter gegen Ende meiner schwierigen ersten Elternzeit endlich auf dem Gepäckträgersitz sitzen konnte! Zugegeben, die Tour de France war da jetzt noch nicht drin, da meine Tochter auf dem Gepäckträgersitz nach spätestens 20 Minuten quengelig wurde. Aber immerhin konnte ich dadurch meinen Radius, der sich bis dahin im Wesentlichen zwischen Pekip und Parkrunden bewegte, schon mal ein kleines bisschen erweitern.Dementsprechend war ich nicht wirklich begeistert, dieses mühsam gewonnene Stückchen Freiheit mit der Geburt des Babysohnes und meiner zweiten Elternzeit wieder herzugeben - jetzt mal abgesehen von der gelegentlichen Autofahrt, bei der zwecks Babybespaßung hinten zwischen die beiden monströsen Kindersitze gequetscht zwar auch Muskelkater und Zerrungen, aber nicht so das tolle Freiheitsgefühl aufkommen...
Es musste also ein neues Transportmittel her, um beide Kinder mit dem Fahrrad mitnehmen zu können. Gesagt, getan. Der neue Fahrradanhänger steht in Puncto Größe, Sperrigkeit und Kosten unserem Kleinwagen nicht so viel nach, aber wir können jetzt alle zusmmen richtig tolle Fahrradtouren machen! Denken wir zumindest. Wie genau das gehen soll, da wir ja jetzt mit einem Kind mehr noch mehr unterschiedliche Bedürfnisse der einzelnen Familienmitglieder unter einen Hut bekommen müssen? Darüber denken wir lieber nicht so genau nach...
Auf kürzeren Strecken im Alltag, wie z.B. zum Spielplatz, Einkaufen oder
Kinderturnen, ist der Anhänger bereits erfolgreich im Einsatz. Mal von der
Anstrengung abgesehen, das Monstrum aus dem Keller heraus zum Fahrrad zu
befördern, klappt es damit sowohl in der
Buggy-Funktion als auch am Fahrrad ganz gut.
Warum also nicht mal mit einer „richtigen“ Fahrradtour
probieren? Es ist Sonntag, das Wetter warm, aber nicht zu heiß oder zu windig,
die Vögel zwitschern – perfekte Bedingungen für unsere erste Fahrradtour mit
Baby und Kleinkind. Denken wir. Wie so Anfänger.
Die Vorbereitungen zu unserer ersten Fahrradtour mit Baby und Kleinkind.
Oder: Bald geht es los
An der mangelnden Vorbereitung kann es jedenfalls nicht
liegen: Bereits Stunden vor der Abfahrt beginnen wir, Apfelschnitze, Dinkelstangen, Weintrauben und Wasser, natürlich alles in mundgerechten Stücken, ansprechender Optik und Bioqualität, einzupacken. Auch das Survival-Kit aus Picknickdecke, Sandspielzeug,
Wickelausrüstung und Ersatzkleidung darf natürlich nicht fehlen - ja
sogar Fahrradflickzeug und Pflaster haben wir dabei. …
Gut, dass der Fahrradanhänger so viel Platz bietet und man auch noch Fahrradtaschen ans Fahrrad hängen kann – das hatten wir nämlich bei unseren Fahrradtouren mit dem Gepäckträgersitz schmerzlich vermisst. Der Fahrradanhänger ist jedenfalls so voll beladen, dass er nun wirklich kaum noch von einer Person zu rangieren ist. Wir sind also gut ausgerüstet. Denken wir. Wie so Anfänger.
Gut, dass der Fahrradanhänger so viel Platz bietet und man auch noch Fahrradtaschen ans Fahrrad hängen kann – das hatten wir nämlich bei unseren Fahrradtouren mit dem Gepäckträgersitz schmerzlich vermisst. Der Fahrradanhänger ist jedenfalls so voll beladen, dass er nun wirklich kaum noch von einer Person zu rangieren ist. Wir sind also gut ausgerüstet. Denken wir. Wie so Anfänger.
Eine geeignete Route ist auch schnell gefunden – es soll zu
einem ca. 10 km entfernten Bio-Bauernhof gehen, den unsere Tochter gut kennt und
sehr mag. Die Strecke ist weitgehend flach, fernab großer Autostraßen und nicht
sonderlich kompliziert, also ideal für den Einstieg. Denken wir. Wie so Anfänger.
Also nur noch „schnell“ das Baby stillen, die Große eincremen
und anziehen, ein letztes Mal Pipi machen, mit Engelszungen zum Aufsetzen des
Sonnenmützchens überzeugen, ein aller letztes Mal Pipi machen… Wir sind schon schweißgebadet, als wir uns endlich
auf die Räder schwingen.
Die Fahrradtour beginnt. Oder: Es geht voran
Dann die erste Euphorie: Es klappt tatsächlich! Die Kinder
schauen friedlich in die Gegend, und wie immer genieße ich das Fahrradfahren:
die leichte Bewegung (der Papa mag das mit dem "leicht" anders sehen - der zieht nämlich den Anhänger 😉),
den Fahrtwind, das Freiheitsgefühl.
Die Straßen sind am Sonntag wenig befahren, wir kennen den
ersten Streckenabschnitt gut und kommen flott voran. Ich plane im Geiste schon
die nächsten, längeren Fahrradtour und den ersten Fahrradurlaub…
Die Fahrradtour nimmt ihren Lauf. Oder auch nicht.
Es dauert einen kurzen Moment, bis ich die Laute wirklich
registriere und unsanft aus meinen Fahrrad-Tagträumen gerissen werde. Die
Tochter quengelt in steigender Intensität und zerrt an ihren Anschnallgurten
herum. Logische Argumente à la „Wir wollen doch zum Bauernhof“ oder „Bald
machen wir eine Pause.“ verpuffen im Fahrtwind. Auch die Aussicht auf ein Picknick mit unseren mitgeschleptten Vorräten bringt nicht den gewünschten Erfolg. Durch ihr immer lauteres
Gejammere verunsichert, fängt prompt das Baby an zu weinen. Also anhalten.
Natürlich mitten am befahrensten Straßenstück auf der gesamten Route. Mit
Engelszungen und der Aussicht auf ein Eis überreden wir die Große, doch noch
ein bisschen zu fahren, bis…
„Wähaääh!“
Nun wird das Baby zunehmend unzufrieden. Ist aber nur die
Mütze über die Augen gerutscht. Nach kurzem Versuch, das ohne Anhalten
hinzubekommen, breche ich die halsbrecherische Akrobatikübung ab und wir halten kurz an. Sehnsüchtig schaue ich der kleinen Familie mit Kindern im Grundschulalter hinterher, die samt ihren selbst fahrradfahrenden Kindern fröhlich klingelnd an uns vorbei sausen. Aber das Gras ist ja immer grüner auf der anderen Seite und alles besser, wenn die Kinder erstmal älter sind... haha. Wahrscheinlich trauern diese Eltern gerade den Zeiten hinterher, in denen sie ihre Brut "einfach" in ein Gefährt setzen, anschnallen und losbrausen konnte, ohne Helmdiskussionen, Angst vor Stürzen und "Ich kann nicht mehr"-Gejammere...
Etwas von diesem Gedanken getröstet, fahren wir weiter. Lange geht das aber nicht gut. Meine zunehmend verzweifelten Intonationen von „Wie
ein Fähnchen auf dem Turme“ und „Die Fröschelein“ inklusive Fingerspiel unterhalten
bestenfalls andere Verkehrsteilnehmer, nicht aber unser Baby. Also wieder
anhalten, Baby beruhigen, Föhnapp an
(auf das während unserer Sardinienreise eingeführte, ebenfalls von der
Babyberuhigungsapp angebotene, Meeresrauschen verzichten wir heute lieber),
Baby wieder in den Anhänger setzen – ich kann die missbilligenden Blicke der um
uns herum friedlich flanierenden Rentner förmlich im Rücken spüren. Schnell
weiter.
„Möchte Eis! Setzt!“
Jetzt wird uns der pädagogisch ohnehin fragwürdige Move mit
dem Eis zum Verhängnis – wir haben die Route zwar penibel auf
Höhenunterschiede, Breite der Radwege und Schlaglochtiefe ausgecheckt. An potentielle Eisquellen haben wir aber natürlich nicht gedacht. Wie so Anfänger.
Den Hinweis auf die mitgeschleppten ökobiomundgerechten Apfelschnitze und Dinkelstangen spare ich mir diesmal gleich - wären ohnehin sehr schwer zu finden, da ganz hinten unten im Anhängerstauraum... Stattdessen krame ich lieber in meinem Gedächtnis. Hier irgendwo in der Nähe war doch eine
Eisdiele – aber wo nur? Schwangerschaftsamnesie, Stilldemenz, Schlafmangel und
das Kindergequengele in meinen Ohren tun ihr Übriges, und wir irren planlos
durch die engen Straßen.
Nach zwei umständlichen Wendemanövern mit dem für solche
Aktionen recht unhandlichen Fahrradanhänger und einer gefühlten Ewigkeit ist
die rettende Eisdiele endlich in Sichtweite. Jetzt nur noch an der Gruppe
Studenten vorbeikommen, die beladen mit Grills und Bierkästen in Viererreihen auf der schmalen Straße Richtung
Naherholungsbebiet tingeln.
Schließlich ist die Eisdiele erreicht. Hat nur leider zu.
Während wir noch liebevoll und geduldig den kleinkindlichen Wutausbruch
begleiten, zieht das Studentengrüppchen nun an uns vorbei. Die denken sich jetzt vermutlich, dass das bei ihren
eigenen Kindern später anders wird… Wie ich früher – haha.
Zum Glück habe ich keine Zeit, lange über vorelterliche Illusionen zu sinnieren – die immer noch schniefende Tochter ist
bereit, nach einer anderen Eisquelle zu suchen. Weiter geht’s, doch schon fängt das Baby wieder an zu weinen. Ich sehe mich schon die mühsam zurückgelegten 7,3 km (falls das aus unserem Vor-den-Kindern-wir-machen-jedes-Wochenende-eine-Fahrradtour-Dasein stammende Fahrradcomputernavidings das bei den vielen Stopps überhaupt noch richtig messen konnte) fahrradschiebend und mit Baby im Tragetuch zurücklatschen. Aber die Anschaffung des Fahrradcomputernavidings zahlt sich nun nach all den Jahren endlich aus: Es zeigt nämlich auch die Uhrzeit an, und die besagt, dass das Baby vielleicht mittlerweile einfach wieder Hunger hat.
Das Tragetuch bleibt also erstmal ganz tief untem im Hängerstauraum, gleich neben den bioökomungerechten Dinkelstangen, und wir beschließen, auf einem kleinen Spielplatz "kurz" Stillpause zu machen.
Nachdem wir das ersehnte Eis in der gegenüberliegenden, etwas zweifelhaft
aussehenden „Trinkhalle“ (Frankfurter Version von „Büdchen“ bzw. Kiosk)
erstanden haben, ist die Tochter bereit, tatsächlich noch etwas zu spielen.
Als wir die eisverschmierte Tochter tatsächlich ohne
Wutanfall vom Spielplatz losgeeist haben, entscheiden wir uns, doch lieber den
Rückweg anzutreten, um evtl. noch vor der Dunkelheit zu Hause zu sein…
Fazit: Unsere Fahrradtouren mit Baby und Kleinkind
Tja, und was nehmen wir also von der Fahrradtour-Erfahrung
mit – außer jetzt die Eisflecken auf Kleidung und Fahrradanhänger?
- Was war das in unserem Vorkindleben für ein Luxus, wenn man nur alle paar Kilometer mal anhalten muss, um auf die Karte zu schauen, nach dem Weg zu fragen oder Straßenschilder bzw. Fahrradwegweiser zu suchen!
- Von den engen Straßen mal abgesehen, ist der Stadteil mit der Eisdiele und dem Spielplatz eigentlich ganz schön - könnten wir öfter mal hinfahren...
- Niemals, wirklich niemals und unter keinen Umständen, den Kindern ein Eis versprechen, wenn man nicht 100%ig sicher ist, wo man es beschaffen kann.
- Das mit den Fahrradtouren müssen wir definitiv noch üben, damit sich die Kinder da besser dran gewöhnen. Denken wir. Wie so Anfänger…
Wie ist das bei euch?
Tipps, um Babys und kleine Kinder bei längeren Radtouren bei Laune zu halten,
nehme ich jederzeit sehr gerne entgegen 😉.
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Liebe Anne,
AntwortenLöschenwas für ein toller Tatsachenbericht, und dann auch noch extrem unterhaltsam geschrieben. Ich habe sehr gelacht, weil ich genau weiß, wie sich das anfühlt. Auch wir haben genau solche, oder so ähnliche, Geschichten erlebt, dass romantische Vorstellungen und die Realität so weit auseinander liegen wie nur möglich. Schön, dass auch ihr im Nachhinein mit einem schmunzelnden Auge und einer ordentlichen Portion Humor damit andere Familien zum Lachen bringen könnt.
Entschuldigung wenn ich das so schreiben muss, aber eure Radtour hat mir sehr gefallen, denn sie ist der lebende Beweiß dafür, dass Eltern denken und Kinder lenken.
Danke dafür
Liebe Grüße
Christine
Liebe Anne, liebe Christine!
LöschenJa, ist ja wie bei uns... Ich heul gerade auch vor Lachen und bin froh, dass es mir/uns nicht nur alleine so ging. Und habe trotzdem - nicht mit Neid - sondern voller Vorfreude eure Radtourposts im Hirn, bei denen es "funktionierte" Tage und Strecke zu fahren. Ich lerne daraus, beim Fahrrad fahren ist es wie beim Wandern mit Kindern. Die Prioritäten ändern sich, die Bedürfnisse von Erwachsenen und Kindern wollen gestillt werden. Und es tut sich gut daran bei der Routenplanung als Erwachsener wieder zum Kind zu werden.
Danke für deinen tollen Erfahrungsbericht.
Liebe Grüße
Heike
Liebe Christine, liebe Heike,
Löschenvielen Dank für eure lieben Kommentare und nochmal für die schöne Blogparade! Denn auch wenn ich unsere Fahrradtourdesaster mit Humor nehme, lese ich auch sehr gerne von erfolgreicheren Beispielen und lasse mich für die Zukunft inspirieren... Vor allem deinen Beitrag, liebe Heike, fand ich sehr ermutigend, weil du beschreibst, wie es langsam besser wird ;-).
Liebe Grüße
Anne